Es gibt SchülerInnen, die ihren Selbstwert an ihre schulischen Leistungen heften. In diesen Momenten passiert ein (manchmal bis ins Erwachsenenalter anhaltendes folgenschweres) Missverständnis: ich bin wert, was ich leiste.
Aber es gibt auch SchülerInnen, die wissen und fühlen, dass sie wertvoll sind – ohne Wenn und Aber. Sie fühlen, dass sie als Mensch wertvoll sind, unabhängig von ihren Leistungen und schulischen Bewertungen. Dieses Gefühl für den eigenen Selbstwert ist die Basis, auf der man eigene, unabhängige Entscheidungen treffen kann.
Manchen (eigensinnigen) SchülerInnen gefällt Schule nicht. Sie entscheiden vielleicht, sich nicht um gute Leistungen zu bemühen, dem Unterricht fern zu bleiben und schulische Ermahnungen in Kauf zu nehmen. Frei sind sie dadurch dennoch nicht. Die Reaktionen von Schule auf diese eigensinnigen Entscheidungen bringen den SchülerInnen Scherereien. Diese nehmen Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch und erschweren für den Schüler das Verfolgen eigener Projekte. Aber immerhin sind diese jungen Menschen nicht in ihrem Selbstwert erschüttert.
Wenn die Energie dafür verwendet werden muss, sich gegen Schule und schulische (Zwangs)Maßnahmen wehren zu müssen, bleibt keine oder wenig Energie für das, was man wirklich tun möchte. Wenn man dem Unterricht fern bleibt und sich, um weder von Eltern noch von LehrerInnen entdeckt zu werden, „herumtreiben“ muss, kann man in der frei gewordenen Zeit dennoch nicht seine eigenen Ziele verfolgen. Wenn man damit konfrontiert ist, „Konsequenzen“ (zum Beispiel Strafarbeiten wie das Abschreiben der Schulordnung) ertragen zu müssen, nimmt auch das Zeit, Energie und Raum weg von den eigenen Projekte.
Warum vertrauen wir denn den jungen Menschen nicht?
Warum glauben wir, dass sie unbedingt das tun müssen, was im Lehrplan vorgegeben ist?
Warum glauben wir, dass aus ihnen nichts wird, wenn sie eigensinnig sind?
Warum glauben wir, dass es ihnen schadet, wenn sie nicht um 8 Uhr morgens stramm stehen, um mit 25 anderen zu beschulenden Menschen dem Erdkundeunterricht zu folgen?
Warum trauen wir den jungen Menschen so wenig zu?
Heute im Gespräch mit meiner Pädagogikleitung – die ich eigentlich als offen und wenig konservativ eingeschätzt habe ging es nach meiner Entwurfbesprechung noch um ein anderes Thema, dabei fiel der Satz von ihr “[…] naja, wenn sie dann in der Schule sind und wir ihnen helfen müssen, soziale Wesen zu werden….” Da sind bei mir alle Alarmglocken angegangen. ALLE. Auf einmal. Die roten und die blauen.
Dabei ist mir klar geworden, dass sich die Methoden in der Ausbildung ändern, aber auch diese Menschen sind in der Überzeugung groß geworden, dass Kinder erst erzogen werden müssen um sozial zu werden. Und diese Grundhaltung werden die Ausbilder genauso wenig los wie wir unsere Erziehung.
Vielen Dank für deinen Kommentar! 🙂
Wenn wir glauben, dass wir andere Menschen erziehen (= formen) müssen, gehen wir ja im Grunde davon aus, dass wir selbst auch geformt werden mussten. Aber warum? Weil wir selbst sonst asozial, Tyrannen oder was auch immer geworden wären? Ich glaube das nicht. Wir sind auf Gemeinschaft angewiesen, wir brauchen andere Menschen auf allen Ebenen. Wir brauchen uns nicht nur gegenseitig, sondern wir bereichern uns gegenseitig. Warum sollten wir also nicht kooperieren wollen? Als diejenige, derjenige kooperieren, der wir sind und nicht zu dem wir erzogen worden sind.
Mit den ganzen Hinter-Fragen, die wir uns stellen, sind wir auf einem guten Weg 🙂 Gut Ding will Weile haben.